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Der Sitterhof in Dorthausen

Die Siedlung ,,Am Sitterhof" besteht 2013, 80 Jahre.

Gladbacher Erwerbslose als Kleinsiedler am Rande der großen Stadt. Ein Wohnhaus für 2500 RM.  Ein Versuch in Dorthausen und Odenkirchen. So lautet ein Zeitungsartikel vom 18.Okt. 1932 .

Der Grund und Boden der Siedlung war vormals eine Ziegelei. Nach Feierabend wurde das Gelände zum beliebten Abendteuer- Spielplatz für die Kinder aus Dorthausen. Als die Tonvorräte erschöpft waren und die Ziegelei unwirtschaftlich wurde übernahm die Stadtgemeinde das Gelände. Damals nach der Weltwirtschaftskrise waren über 6 Mio. Menschen ohne Arbeit. Not und Elend war groß. Ein Arbeitsloser bekam in der Woche für sich und seine Familie 14 Reichsmark Unterstützung. Das waren 2 RM am Tag. Noch ärmer waren ,,ausgesteuerte" Langzeitarbeitslose dran. Sie hatten keinerlei Anspruch mehr auf Unterstützung. Um diesen Menschen irgendwie Einkünfte zu ermöglichen, verpflichtete man sie zu Notstandsarbeiten. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde auch das Ziegeleigelände entrümpelt und die Aufbauten abgeräumt. In einer weiteren Arbeitsbeschaffungsmaßname hatte der Staat auch den sog. ,,Freiwilliger Arbeitsdienst" eingerichtet, um junge Leute, wie man damals sagte, von der Straße zu holen. Dieser baute die erste Straße auf dem Gelände. Nun war das Gelände grob hergerichtet und wurde parzelliert. Für jede Familie war ein Hausgrundstück von 750 qm vorgesehen, die gleiche Fläche noch einmal als Garten zur Eigenversorgung und dann an 40 erwerbslose Familien in Erbpacht vergeben. Die jährliche Pacht betrug 30,88 RM zu zahlen in monatlichen Raten zu 2,57 RM.  Träger war die Reichsheimstätte. Die Wohnung eines jeden Siedlers erhielt im Erdgeschoss zwei Wohnräume und einen Vorraum, dazu ein Kellergelaß so wie einen Stall für Ziege oder Schwein. Im Dachgeschoß außerdem noch ein bis drei Schlafkammern je nach Kinderzahl. 1931 wurde mit dem eigentlichen Bau der Häuser begonnen 11 große und 9 kleine. Jede Familie mußte 250 Tagewerke Arbeit in Eigenleistung bringen. Mitte Februar 1933 wurde das erste Haus von der Familie Hubert Willems bezogen. Rasch folgten die anderen. Kanal und Strom gab es noch nicht. Jeder hatte seinen eigenen Plumpsklo. Die Grube wurde regelmäßig geleert und der Inhalt im Garten als Dünger verwendet. Das Spül- und Badewasser lief zur  Straße in die Kall (Wasserrinne), wurde durch Gräben weiter zu Schlinglöcher geleitet, in denen es versickerte. Erst 32 Jahre später  (1965) bekam die Siedlung Kanalanschluß. Fast jeder hatte Schafe, Ziegen, manche auch ein Schwein, einer sogar eine Kuh, dazu kamen Kleinvieh, Hühner und Kaninchen. Man sollte und wollte sich überwiegend  selbst versorgen. Auch Bestrebungen, sich Neben- oder Haupterwerbseinkünfte aufzubauen, wurden sichtbar. So übernahm Heinrich Roweder die Ziegenbockstation Plöger von der Viehstraße. Hubert Willems ,Nr.8, baute sich ein Putz- und Stuckgeschäft auf. Heinz Grothe ,Nr.62, hatte Freude an Bienen und Honig, deshalb richtete er sich eine Imkerei ein. Jeweils eine kleine Schreinerwerkstatt entstand bei Alfons Klüfers ,Nr.64, und Hans Wiesemann. Hännes Lück betrieb eine kleine Hühnerfarm. 1939 wurde die Siedlung mit elektrischen Strom versorgt. Die Sandgrube, der nahe Wald und vor allem der Kuhlbuschweiher waren für die Kinder beliebte Spielplätze.           

Im Jahre 1936 fand die Gründung einer Notgemeinschaft statt. 1964 wurde sie neu organisiert und in ,,Nachbarschaftshilfe Am Sitterhof " umbenannt. Erster Kassierer war Hubert Küppers. Es folgten Hans Werner Jost und Theo Piolot, dann Richard Hahmacher und Karl Heinz Zangs. Heute wird über die Auflösung debattiert, weil bei den jungen Leuten das Interesse fehlt. 1943 brachte auch der Krieg dem Sitterhof Zerstörung. Die Bewohner der Häuser Nr. 46/48 waren in jener Nacht im Keller, als eine Phosphorbombe die beiden Häuser traf und sofort in Brand setzte. Flüssig brennender Phosphor kam von oben die Kellertreppe herunter gelaufen. Frau Blauen mit ihren 4 Kindern und Frau Küppers mit Sohn Horst saßen in der Falle. Nach einiger Zeit brachen Nachbarn ein Loch durch die Lüftung der Außenwand und holten sie da heraus. Die nun Obdachlosen nahmen die Nachbarschaft für einige Zeit bei sich auf. Gregor Blauen beschäftigt beim SHD (Sicherheitshilfsdienst)  installierte im heil gebliebenen Schweinestall eine Küche.  Am 28. Februar 1945 war die Front da. Granaten schlugen ein. Dann kamen amerikanische Soldaten mit  2 Panzern und suchten nach deutschen Soldaten. Beim Wenden schrammten sie die beiden Häuser von Kaiser und Willems. Nun war hier faktisch der Krieg zu Ende. Mit einem Schlag war vieles anders. Der Feind war da, bestimmte und ordnete an. Die Zeit der Not war aber noch lange nicht zu Ende.      

Folgende Opfer des Krieges beklagt der Sitterhof: Karl Kaiser, Mathias Willems, Hermann Kollenberg, Willi Kauhausen, Willi Dohr,  Adolf Hoven, Anton Weingran, Heinrich Fongern, Peter Jost und Paul Steffens. Kriegsverletzungen: Emil Schrammen, beide Füße abgefroren, Albert Weilenmann verlor beim Einmarsch der Amerikaner ein Bein.
Langsam normalisierte sich das Leben.1946 das erste St. Martinsfest nach dem Kriege schildert Hännes Willems so: In der Sandgrube am Sitterfof hatten Kinder wochenlang Holz gesammelt und zu einem riesigen Martinsfeuer aufgestapelt. Dabei waren auch an die 20 Holzkisten, in denen Munition, Pulver und ähnliches war. Weil aber die Kinder die Kisten nicht aufbekommen hatten, wusste auch niemand etwas vom Inhalt. So war der Schreck beim Anzünden des Feuers riesengroß, als sie erkannten, welch tödliche Gefahr in den brennenden Kisten schlummerte. Voll Panik liefen sie dem Zug entgegen und konnten noch gerade eine Katastrophe verhindern.
                                                    

Die Notkirche bei Ebus war mittlerweile viel zu klein. Der Wunsch nach einer neuen größeren Kirche nahm langsam konkrete Formen an. Mit dem Bau der Christophorus Kirche am Sitterhof  wurde Anfang der 60er Jahre begonnen. Am 5. Nov. 1962 wurde der erste Gottesdienst abgehalten.
Mitte der 60er Jahre überplante die Stadt das gesamte Gelände. Aus dem innen liegenden
  Gartenland wurde zum großen Teil Bauland. Die Siedler erhielten die Möglichkeit, ihr Erbbaurecht in Eigentum umzuwandeln. Mit dem Mehrwert der Umwandlung ihrer Gärten in Bauland war dies möglich. 1964/65 bekam die Siedlung dann Kanalanschluss. Die in der Mitte  abgetretenen Gärten wurden Neubaugebiet. Auch die Infrastruktur entwickelte sich weiter. 1975 wurde der Kindergarten fertig. Fortan wurde der Kindergarten auch zum Wahllokal. Die nächste Erweiterung  war 1998-2001 mit dem Bau der Siedlung Am Kohlbusch. Die letzte Ur- Siedlerin Eva Steffens starb 2002 im hohen Alter von 99 Jahren.

Der Name Sitterhof kommt vom Syderatherhof, heute Franken- Hof in Kothausen, dem ehemaligen Stiftshof der Äbtissin Maria im Kapitol zu Köln.
Die Siedlung Sitterhof einst, als Versuch gestartet, ist heute ein fester Bestandteil unserer lieben Heimat mit netten, lebensfrohen Menschen. Nun fehlt nur noch die Feier zum 80 jährigen.

Wir gratulieren auf jeden Fall schon mal !                                                                     


Kommunionkinder auf dem Weg zur Christophorus Kirche 1968,  Haus ehem. Ziegelei  

 


Kirmes und Heimatfest Dorthausen mit Festzug Am Sitterhof in den 60er Jahren.

Autor:Alfred Schneider; Bildmaterial: Maria Weinreich