Der Standpunkt des Sühnekreuz befindet
sich heute an der Gabelung der Straße nach Hilderath
und Sittard.
Bei seiner Errichtung im Jahre 1674 stand es zuerst etwas weiter an einem Feldweg,
der vorbei am heutigen Wasserturm in Richtung Griesbarth
ging, den es heute aber nicht mehr gibt.
Das alte jüliche Städtchen Dahlen, jetzt
Rheindahlen genannt und der Großstadt M.Gladbach
eingemeindet, ist von einem wunderbaren Zauber
der Romantik und der Geschichte übersponnen.
Seit 1354 besaß der Ort schon Stadtrechte und
war eine starke Feste im Kranze der vielen
Festungen, die Jülich gegen seine lüsternen
Nachbarn ringsherum angelegt hatte.
Die Stadt war
dementsprechend stark umgürtet worden und
bildete mit seinen 31 Ort- und Honschaften den
Mittelpunkt eines blühenden Gemeinwesens. Der
Reichtum der Stadt beruhte auf einem gesegneten
Ackerbau, dessen Herzstück die Kultur des
Flachses war. Der "Dahler Flassmaat" und "Dahler
Linget" waren weit und breit berühmt.
Die Felder rings um die
Stadt glichen zur Zeit der Flachsblüte um Zink
Viet (15. Juni) einem wogenden himmelblauen
Meer. Wenn der Flachs "sein Kleid fallen ließ",
das heißt, wenn die Blüten abfielen, rüsteten
sich die Dahler auf die Riäp, das Riffelfest.
Die Flachskultur stand dort in allen Ehren. Dem
Bauer wie seinen Helfern bei der Ernte wurde
eine besondere Hochachtung entgegengebracht, die
sich beispielsweise in dem Gruß widerspiegelte
eines jeden Vorbeikommenden: "Gott help öch, ehr
Hiäre!" Wer das nicht tat, verfemte sich von
selbst – so ehrenvoll galt den Menschen damals
die Flachsernte.
Wenn man vor vielen Jahren
von Dahlen über die sogenannte "Fussekull" nach
dem benachbarten Sittard ging, kam man an eine
Stelle, wo sich heute noch der Weg nach
Hilderath abzweigt. Dort stand seit altersher
ein steinernes Kreuz, das uns mit seiner
Beschriftung an eine schwere Bluttat aus jener
Flachszeit erinnert.
Es ist die Geschichte des
Vogtes Peter Pang aus Dahlen. An der
ebenbezeichneten Stelle hatte ein Flachsbauer im
Jahre 1674 mit der "Riäp" begonnen. Das Riäpen
(Riffeln) geschah auf freier Feldbahn. Es wurde
dort eine Tenne festgeklopft, dann reichten
Frauen den Riäpern händeweise die Flachsstengel,
die sie dann durch den mit starken Zinken
besetzten Kamm schlugen, um die Bollen
(Samenkapseln) abzureißen. Auf den Ruf "Buet"
mußten sich die Anreicher sputen. Die Riäp galt
als Beginn der Ernte und wurde als Fest
gefeiert, das mit Singen und Scherzen, Erzählen
und Lachen gefeiert wurde.

Flachsernte vor den Toren von
Rheindahlen.
(Titelbild aus
Zeitspuren, über Schicksale in (Rhein)Dahlen von
Michael Walter.)
An guter Kost und Getränken wurde nicht gespart.
Der Bauer kam nach alter Gepflogenheit zur Riäpstätte, um sich die Arbeit zu besehen und
die Arbeiter zu loben. Es war dabei üblich, daß
die Arbeiter bei diesem Besuch ein Flachsbündel
nahmen und damit dem Herrn den Staub von den
Stiefeln wischten, wofür sie dann ein Trinkgeld
erhielten.
Am frühen Nachmittag bewegte sich aus der
Festung heraus eine Gestalt, welche die Riäper
bald als den Vogt Peter Pang, einen strengen,
wenig beliebten Mann erkannten. "Ob der uns wohl
grüßen wird?" fragte der eine den anderen. Die
Meinung war geteilt. "Das wird er nicht tun, der
Stolze!" meinte einer. "Aber das muß er, weil es
so uralte Sitte ist!" Über dieses Gerede kam der
Vogt näher. Er grüßte nicht. Der junge
Bauernsohn Hinrich rief ihm nach: "Auch der Vogt
muß die Riäper grüßen! Das ist hier alte Sitte!"
Als sich der Vogt wütend weiter wandte,
bestätigten die Riäper einstimmig: "Ja, das ist
hier alte Sitte!" und der Jungbauer fügte hinzu:
"Und wer das nicht tut, ist ein Schuft!"
Das Unglückswort war
gefallen, und ehe sich die Leute recht versahen,
hatte der Vogt seinen Dolch herausgezogen und
ihn dem Jungbauern in die Brust gestoßen. Der
Vogt ging ungerührt seines Weges nach Hilderath
zu seinem Freunde Siemes und kümmerte sich nicht
um sein Opfer. Der junge Bauer wurde von seinen
Leuten auf eine Flachsschütte gelegt. Er konnte
noch versehen werden und starb dann in den Armen
seines Vaters.
Der Vogt schickte von
Hilderath her die Tochter seines Freundes zum
Ausspionieren, wie es um den jungen Bauern
stehe. Als das Mädchen die Kunde vom Tode
desselben brachte, erbleichte er und sagte zu
seinem Freunde: "Nun kann ich nicht mehr nach
Dahlen zurückkehren!"
In derselben Nacht machte
er sich auf zu seinem Herrn in Jülich. Er
bekannte reumütig seine große Schuld. "Wer
tötet, soll des Todes sterben!" erklärten die
Richter. Doch der Landesherr ließ Gnade walten,
weil der Mörder durch das unkluge Wort des
Jungbauern gereizt worden war. So kam der Vogt
mit dem Leben davon; aber er verlor Amt und
Stellung, mußte ein hohes Sühnegeld zahlen und
an der Stelle des Mordes ein steinernes Kreuz
errichten, allen zur Mahnung und Warnung, die
hier des Weges zogen; denn die Menschen waren
schon immer zu raschen, unüberlegten Taten
schnell bei der Hand, wie damals, so auch heute.
Soweit zur Geschichte des
von Peter Pang errichteten Sühnekreuzes, die von
viele Heimatforschern, die sich mit der
Geschichte von Rheindahlen beschäftigt haben so
oder so ähnlich wiedergegeben wurde. Dazu zählte
unter anderem Johann Sallads, Josef Thelen,
Willi Breuers in seinen unveröffentlichten
Unterlagen und auch Paul Hilgers sen.
Derselbe fand in dem
unveröffentlichten Nachlass von Willi Breuers am
5. August 1995 ein Schreiben, welches an die
Stadtverwaltung gerichtet war und das vorher
geschilderte wiedergab.
Das Kreuz stand ja dort als
Mahnmal am Wegesrand, bis in der französischen
Zeit daran Anstoß genommen wurde. Auf Grund
eines Befehls vom 20. Juli 1794 mussten alle
religiösen Zeichen an öffentlichen Wegen und
Plätzen entfernt werden. Im damaligen Dahlen
fielen dieser Aktion außer dem Sühnekreuz des
Vogtes Peter Pang auch noch andere fromme
Zeichen zum Opfer. Das Sühnekreuz des Vogtes
vergrub man in die Erde bis der Bauer Wilhelm
Lambertz sen. bei der Feldbestellung mit seinem
Pflug auf ein Hindernis stieß.
Durch diese Hinweise
aufmerksam geworden, versuchte Paul Hilgers sen.
nun die Angelegenheit aufzugreifen und zu
recherchieren. Bekannte Namen halfen weiter. Die
Grundstückslage sowie der Besitzer vom Ort des
Geschehens waren ebenfalls bekannt.
Bei einem Besuch des Sohnes
von Wilhelm Lambertz erhielt der Heimatforscher
die Bestätigung, dass im Jahre 1959 Reste einer
Kreuzessäule auf dem Acker gefunden wurden. Der
Fundort befand sich auf dem heute katastermäßig
geführten Gelände mit der Flurbezeichnung; Flur
50; Flurstück 78; Gemarkung Rheindahlen.
Nachdem, wie vorhin geschildert, ein "besonderer
Stein" sich zeigte, verständigte sein Vater Toni
Mennen und bat ihn um Rat. Dieser hat daraufhin
das Fundamentteil mit der dazugehörigen Säule
ausgegraben. Intensivere Suche nach weiteren
Teilen hatte Erfolg, denn es kamen zwei andere
Steine hierbei ans Tageslicht. Dieselben haben
aber keinen Zusammenhang mit den vorgenannten
Teilen.
Die Fundstücke nahm Toni
Mennen an sich und deponierte sie auf seinem
Grundstück. Nach seiner Meinung und weiterer
Prüfung sollen diese Teile keine Stücke eines
Sühnekreuzes sein.
Darin
bestätigte ihn auch der Landeskonservator in
Bonn. Es besteht aber die Möglichkeit, dass
Angehörige des Opfers ein zusätzliches Kreuz
aufgestellt hatten, was im Zusammenhang mit
einem Mord zu damaliger Zeit nicht unüblich war.
Der aufgefundenen Säule
fehlen die Kreuzesarme, die sehr wahrscheinlich
vor der Eingrabung abgeschlagen worden wurden.
Der vorhandene Torso weist zwei noch deutlich
erkennbar erhabene Motive auf: am oberen Teil
einen Totenkopf und darunter zwei sich kreuzende
Gebeine. Als Material fand Sandstein Verwendung.
Im Dezember 1995 erzählte der Rheindahlener
Willi Liffers, der von den Recherchen Paul
Hilgers erfahren hatte, das sein Vater zur
Verschönerung seines Vorgartens an der
Hilderather Strasse Steine und Findlinge
gesammelt hatte. Das Haus liegt nicht weit vom
oben genannten Fundort entfernt. Der Vorbesitzer
des Ackers von Wilhelm Lambertz sen. hatte bei
der Feldbestellung bereits Findlinge entdeckt,
die er Herrn Liffers sen. angeboten hatte. Willi
Liffers erinnerte sich daran, dass darunter auch
ein Sandstein war, der eine Kreuzesform aufwies.
Zwischenzeitlich war dieses
Haus verkauft worden. Der neue Besitzer räumte
den Vorgarten und lagerte die Steine auf einem
Haufen hinter seinem Haus zur späteren
Weiterverwendung.
Willi Liffers suchte nun
nach dem ihm bekannten Steinstück und fand es.
Anschließend teilte er Paul Hilgers den Fund
mit. Die Oberfläche dieses Sandsteinkreuzes hat
durch die langen Jahre im Erdreich stark
gelitten. Eine Inschrift oder sonstiges Motiv
ist nicht ersichtlich.
Wieder vergingen Jahre bis
die Geschichtsfreunde-Rheindahlen sich wieder
des Themas „Sühnekreuz Peter Pang“ bei einer
seiner turnusmäßigen Sitzungen annahm. Hierbei
erinnerte sich der Geschichtsfreund Willi
Liffers wieder daran, dass sich der obere Stein
immer noch an seinem ehemaligen Haus – in
unmittelbarer Nähe des historischen Fundortes –
befinden musste. Man ließ keine Zeit
verstreichen. Am nächsten Tag fuhren
Geschichtsfreunde direkt zum Haus an der
Hilderather Straße. Und was für ein Glück: Unter
Findlingen befand sich tatsächlich der als
verloren geglaubte obere Teil des Sühnekreuzes.
„Wir haben den Stein auf den unteren Teil
gesetzt und konnten die Zugehörigkeit
feststellen. Die Freude war mehr als groß“.
Diese 3 Steine
wurden nun hier im Jahr 2014 wieder
zusammengefügt, um einerseits an die grausige
Tat des Peter Pang aber auch anderseits an den
Bauerssohn Hinrich zu erinnern.
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