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Harry Josten *1886  †1979

Josten Harry wurde 1886 auf der Stadtwaldstraße in Rheindahlen geboren. Sein Leben lang hat er im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden.
Schon früh hat er artistische Fähigkeiten gezeigt und so war es kein Wunder, dass er in jungen Jahren vom Zirkus Sarassani unter Vertrag genommen wurde. Nach Zeitungsberichten und Erzählungen gehörte Harry Anfang des 20. Jahrhunderts mit seinen Auftritten zu den Größten seiner Zunft. Dies hat Ihn durch ganz Europa, von Lemberg bis Paris gebracht, wo er Beifallsstürme erntete. Eine seiner großen Nummern bestand darin, dass er auf einer Holzkugel über schmale schräge Ebenen 15 mtr. bis in die Zirkuskuppel balancierte. Bei dieser Zirkusnummer, welche er mit seiner damaligen Ehefrau Lissi aufführte, nannte er sich "Die 2 Joosten", wobei hier der Name durch das einfügen des zweiten O`s betonend in die Länge gezogen wurde.









































    Die 2 Joosten im Jahr 1919
Ansichtskarte mit den 2 Joosten aus dem Jahr 1918
In späteren Jahren arbeitete Harry Josten dann auch als Clown und Zauberer.
Auch sein Sohn Heinz versuchte sich später als Artist, erlangte aber niemals die Berühmtheit wie sein Vater in den 1930er Jahren.
    Karte von Harry`s Sohn,
Heinz Josten.
                                  
 

                                                                             
                                                                               
Als Harry Josten "in die Jahre kam" begann seine 2. Karriere, die als Original. Er brauchte das Publikum, aber auch die "Jrosche", die ihm seine kleinen Kunststücke, die er in seiner Zeit als Clown und Zauberer erlernt hatte, einbrachten. Aber auch sein markantes Aussehen, immer mit Melone, Bibbi genannt, Anzug und Krawatte unterwegs und auf dem einen Auge ein wenig schielend, machte ihn zu einem Unikat. Viele nannten ihn deshalb auch Harry mit der Selverbleck.  Scherzhaft sagte er oft: "Ich schiele, besonders auf dem einen Auge" oder auch "Wo Du hinkickst, doo stonn ich nett."
Eine Zeit lang lebte er in einem Zirkuswagen, der von einer Abfindung eines Zirkus stammte, auf dem Steinrathshof an der Dahlener Strasse in Rheydt. Dort führte er den Kindern zu deren großen Verwunderung ab und zu kleine Zaubereien vor und brachte sie mit seinen Späßchen zum lachen.
Die Gaststätte von Franz Thelen, genannt Thelen Labbes, auf der Beeckerstrasse in Rheindahlen war ein beliebter Aufenthaltsort von Harry, wenn er seine kleinen Zauberkunststückchen und Kartentricks vorführte. Er packte eine Glühbirne an und schon leuchtete sie ohne Strom auf. Oder er ließ sich vom Wirt ein Kartenspiel geben, mischte es und ließ dann von einem der Gäste eine Karte ziehen. Diese steckte er dann an einer x-beliebigen Stelle wieder ins Kartenspiel. Danach warf er es gegen den Tresen und die zuvor gezogene Karte blieb dort hängen, wogegen die Anderen zu Boden vielen.
Aber sein größtes Kunststück vollbrachte er, indem er im hohen Alter von 80 Jahren noch einen Stuhl nahm, ein Kissen darauf legte und dann darauf einen Kopfstand machte. Nun ließ er sich ein Bier reichen und trank es dann in einem Zuge leer. Wenn er sich darauf wieder in den Stand geschwungen hatte, bedankte er sich bei seinem Publikum und reichte dann einen Aschenbecher herum und bat so um ein kleines Trinkgeld, welches Ihm auch gerne gewährt wurde.
Bezugnehmend auf dieses Kunststück wurde ihm zu Ehren sogar ein Orden geschaffen, den man auf der linken Bildschirmseite sieht.
   
Auch bei der Politprominenz oder bei Festlichkeiten war Harry Josten ein gern gesehener Gast, mit dem man sich auch gerne einmal fotografieren ließ, so wie hier z.B. der Mönchengladbacher Bürgermeister Dr. Meyers Anfang der 1950er Jahre.
Der Mönchengladbacher Horst Jungbluth, besser bekannt unter "Hotte", vom Mundartbardenduo "Hotte & Bernt" beschrieb in einem Zeitungsartikel über Originale einmal, wie Harry seine Späße mit den Straßenbahnfahrern trieb, indem er nach dem Türen schließen laut schreiend auf seinen Daumen hinwies und damit die Bahn zum stehen brachte. Nachdem die Türen wieder geöffnet wurden, zählte er lachend seine Finger nach: "Eins, zwei, drei, vier, fünf.... sind noch alle dran! Kannst weiter fahren!".
Zu ehren von Harry widmete das Mundartbardenduo in den 1980er Jahren ein eigenes Lied über dessen Leben auf einer ihrer Schallplatten.
Eine Liedpassage war: "Ech denk off aan Joste Harry möt dr Selverbleck on senn noch wie hä off he duur de Stroote tröck!"
Übersetzung: Ich denk oft an Joste Harry mit dem Silberblick und sehe noch wie er oft hier durch die Strassen zieht!"
Schallplattencover Hotte & Bernt
 



Bei der letzen Fahrt der Straßenbahnlinie Nr.2 am 05.10.1968 in Richtung Rheydt unterhielt Harry die Fahrgäste nochmals mit seinen Späßen.
Foto:100 Jahre Stadtwerke MG

 
Viele seiner Zeitgenossen behaupteten, Harry Josten sei ein reicher Mann und er würde eine große Goldmünzensammlung besitzen. Aber an diesem Gerücht war nicht viel Wahrheit, da er lediglich einmal in seiner Glanzzeit von einer hochgestellten Persönlichkeit eine Goldmünze geschenkt bekommen hatte.
Leise verließ Harry auch diese Welt. Er verbrachte seine letzten Lebensjahre in einem Altersheim in Oedt und erfreute auch dort die alten Leute noch mit seinen Tricks. Im August 1979 verstarb er und wurde auf dem Armenfriedhof in Oedt beigesetzt.

Vielen Menschen hat Harry Josten mit seinen Kunststücken, Späßen und Zaubertricks, aber auch mit seinem freundlichen Gemüt, große Freude bereitet und deshalb haben wir Ihm diese Seite gewidmet.

Im Rheydterleben schreibt Horst Jungblut über Harry:

Zwei Rhe-er Bibi-Männ: "Hotte on Harry"



Erwähnenswert ist hier auch noch ein Artikel in der Bild-Zeitung vom 12.10.1973, in dem erzählt wird, wie Harry's erste Ehefrau Elise Held (Josten), mit der er in den 1920er Jahren als "Die verwegensten Kugelläufer der Welt" durch ganz Europa reiste, mit 75 Jahren ihren Traum erfüllt bekam und noch einmal auf einer Kugel balancieren durfte.


Text: Zeitungen RP & WZ; Erzählungen; Bildmaterial: Familie Josten
 
 
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